29. Januar 2020

Wertedialog an der Oberschule an der Helgolander Straße in Bremen

Mit Arndt Wonka und Dilar Kisikyol

Mut + Vertrauen, etwas Neues auszuprobieren = Neugier! Mit dieser „Gleichung“ begann Arndt Wonka seinen Part beim Wertedialog in Bremen, den der Professor für Politikwissenschaft gemeinsam mit der Profiboxerin Dilar Kisikyol bestritt.

Für ihn bedeutet Neugier, dass man sich begegnet und einander zuhört. Respekt spielt dabei eine wichtige Rolle. Dieser Einstieg machte deutlich, wie stark verschiedene Werte miteinander verwoben sind.

»Was macht ein Professor genau?«

Den Mut, etwas Neues auszuprobieren, hat Arndt sozusagen auch für seinen beruflichen Weg aufbringen müssen, denn er war der erste in seiner Familie, der Abitur gemacht hat. Von seinen Eltern gab es zwar den Zuspruch „Du machst das schon“, aber praktische Hilfestellungen konnten sie ihm leider nicht geben. Im weiteren Verlauf erfuhr er dann, dass eine Karriere an der Universität nicht unbedingt wirtschaftliche Sicherheit garantiert. Lange Zeit erhielt er nur Jahresvertrag um Jahresvertrag bevor er Professor wurde. „Professor“ klingt natürlich gut, aber zum Glück traute sich eine Schülerin, nachzufragen, was so ein Professor eigentlich genau macht. Denn sie war nicht die Einzige, die das nicht so genau wusste. Beide Aspekte des Berufs, die Forschung und die Lehre, machen Arndt Spaß. Und ist nicht Wertebotschafter sein ein bisschen ähnlich? Man lernt wichtige Lektionen im Laufe seines Lebens, aber anstatt sie für sich zu behalten, trifft man junge Menschen und gibt die eigenen Erfahrungen weiter.

»Die Zeit im Ausland führt ihr vor Augen, was sie wirklich machen will.«

Dilar hat in ihrem Leben gelernt, dass manchmal der Plan A scheitert und man dann feststellt, dass einem der Plan B sowieso deutlich besser gefällt. Oder auch der Plan C. Sie wollte Polizistin werden, hat aber den Einstellungstest nicht geschafft. Die Ausbildung als Fitness-Kauffrau brach sie ab als sie merkte, dass sie in diesem Job nicht glücklich werden würde. Schließlich entschied sie sich, als Au Pair nach Neuseeland und später Australien zu gehen. Sie fragt die Klasse: „Wer spricht hier gut Englisch?“ Die Reaktion besteht größtenteils aus verlegenem Kichern. Dilar antwortet: „Genauso sah das bei mir auch aus. Mein Englisch war richtig schlecht. Aber ich bin trotzdem gegangen.“ Die Überwindung der eigenen Scham zahlt sich letztlich aus. Die Zeit im Ausland führt ihr vor Augen, was sie wirklich machen will. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland beginnt sie, sich voll und ganz ihrer Boxkarriere zu widmen. Lange kämpft sie als Amateurin, mittlerweile hat sie mehrere Profikämpfe absolviert.

 

Dilar spricht gerne über das Boxen, ihre große Leidenschaft. Noch lieber ist ihr allerdings die Praxis: Sie hat Boxhandschuhe und Pratzen dabei und fordert die Runde zu einer kleinen Trainingseinheit auf. Als sich niemand freiwillig meldet, sucht sich Dilar kurzerhand einen „Freiwilligen“ aus und motiviert ihn, mitzumachen. Als einige SchülerInnen zunächst lachen, macht Dilar eine klare Ansage für Fairness, Respekt und Sportsgeist: „Wenn hier schon jemand mitmacht und so mutig ist und sich traut, dann seid auch so respektvoll und lacht jetzt nicht!“ Nach einigen Runden sehen die Bewegungen nicht mehr unbeholfen aus und der Schüler kann mit seinem Boxtalent durchaus beeindrucken. Diese sportliche Einlage hat das Eis endgültig gebrochen.

Auf seine Frage, warum Dilar ausgerechnet ihn für die Übung ausgewählt hat, erhält der Schüler eine überraschende Antwort: Er habe bei ihren Erzählungen skeptisch gewirkt – so als sei er nicht wirklich überzeugt. Dilar ist überzeugt, dass eine direkte Konfrontation immer der beste Weg ist, um solche Situationen zu überwinden.

»Wenn hier schon jemand mitmacht und so mutig ist und sich traut, dann seid auch so respektvoll und lacht jetzt nicht!«

Die SchülerInnen der 10. Klasse sind sehr zurückhaltend, eigene Geschichten zu erzählen, aber haben viele Fragen. Ob Dilar schon mal aufgeben wollte zum Beispiel. Die Wertebotschafterin erzählt von ihrem Umzug nach Hamburg, wo sie ihren Platz finden musste, und den Absagen, die sie am Anfang ihrer Boxkarriere oft bekam. Aber sie war immer überzeugt, dass man über kurz oder lang belohnt wird, wenn man sich hinter eine Sache klemmt. Daraus konnte sie die Kraft schöpfen, auch schwierige Phasen zu meistern. Auch ihre Familie stand und steht dem Boxen skeptisch gegenüber. Daraus hat sich allerdings mittlerweile eine Routine ergeben. Sie fragen Dilar „Wie lange willst du denn noch boxen?“ und sie antwortet: „Bis ich tot bin!“

Dann kommt – zum ersten Mal in einem Wertedialog – die Sprache auf das Thema Mobbing. Vieles verbleibt in Andeutungen, weil die SchülerInnen Scheu haben, vermeintliche Schwächen zu zeigen. Dennoch ist spürbar, dass das Thema viele bewegt und es schwierig für Betroffene ist, sich dagegen zu wehren. Dass der Wertedialog einen Raum für das Thema öffnet, bringt auch eine Lösungsperspektive hervor: Gemeinsam kann man stark sein und sich wehren. Auch wenn es manchmal schwerfällt, sich einzugestehen, dass man welche braucht, ist es vollkommen in Ordnung und wichtig, sich Hilfe zu holen.

Jeder Wertedialog ist anders. Alle WerteboschafterInnen bringen ihre jeweils eigenen Geschichten und Impulse mit und treffen auf SchülerInnen, deren Interessen und Wünsche den Verlauf der Diskussionen prägen. Eines ist aber immer gleich: Jeder Wertedialog schafft einen Raum, in dem Themen angesprochen werden können, für die im Schulalltag häufig wenig Platz ist, und in dem das Menschliche – die Frage, was uns als Einzelne bewegt und wie wir gut zusammenleben können – im Vordergrund steht.

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