8. Januar 2021

Quo vadis Philosophie-LK? Digital! – Ein Gastbeitrag

von Dr. Ilona Ruschmeier

Die Lehrerin des Philosophie-Leistungskurses des Werner-von-Siemens Gymnasiums berichtet, wie sie den Wertedialog vom 04. Dezember mit Ruben Gerczikow als Wertebotschafter in Erinnerung hat.

Philosophie als Mutter aller anderen Wissenschaften gilt manchen aufgrund ihres ehrwürdigen Alters immer noch als antiquiert. Philosoph*innen schreiben unverständliche Texte, die ihre Schüler*innen lesen müssen. Dass Philosophie aber auch modernen Kommunikationsplattformen gegenüber überhaupt nicht abgeneigt ist, hat der Leistungskurs Philosophie in diesem Dezember gleich dreimal gezeigt.

Unser erstes Treffen im virtuellen Raum fand am 4. Dezember statt. Mittels BlueJeans trafen wir uns im virtuellen Raum mit einem Wertebotschafter von German Dream. Diese bundesweit tätige Organisation hat das Ziel, junge Menschen für die Werte und Normen unseres Grundgesetzes zu begeistern. In diesem Wertedialog sprachen die 14 Schüler*innen des LK Philosophie mit Ruben Gerczikow, Vizepräsident der European Union of Jewish Students (EUJS) sowie der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD), über seine Antisemitismuserfahrungen und Wege, wie gegen Diskriminierungen aller Art vorgegangen werden kann.

Einhellig meldeten alle Jugendlichen nach dem Gespräch den Wunsch zurück, bald wieder an einem Wertedialog teilzunehmen.

Diese Rückmeldung gaben die Schüler*innen auch nach dem sehr eindrücklichen Gespräch am 11. Dezember, dem Tag der Menschenrechte. Live wurden wir aus dem Raum 212 unserer Schule via Zoom zugeschaltet, um einem Gespräch zwischen Überlebenden verschiedener Genozide zuzuhören und Fragen zu stellen. Neben der 95-jährigen Auschwitzüberlebenden Eva Fahidi, die als ungarische Jüdin alle 50 Mitglieder ihrer Familie verlor, sprachen Jesid*innen, Armenier*innen und der Reporter Jonas Berg über ihre Erfahrungen und den Kampf gegen Unterdrückung und Auslöschung. Besonders erschüttert waren einige Schüler*innen durch die an dem Tag gewonnene Erkenntnis, dass Genozide auch nach dem Holocaust nicht aufgehört haben, sodass immer wieder die Frage im Raum stand: Warum tun Menschen sich gegenseitig diese unerträglichen Verbrechen an?

Ein „Treffen“ ganz anderer Art erwartet uns am letzten Schultag. Während dieses Semesters haben wir uns intensiv mit der Ganzschrift „Wenn ich mich nicht irre. Ein Versuch über die menschliche Fehlbarkeit“ beschäftigt. Der Autor dieses sehr empfehlenswerten Buches ist der HU-Professor Geert Keil, der mit uns über sein Buch und unsere Fragen, die sich aus der Lektüre ergaben, sprechen wird. Pandemiebedingt sind alle Gebäude der Humboldt-Universität verschlossen, sodass wir keine Uniluft schnuppern können. Doch wird auch hier dank der modernen Technik die wertvolle Möglichkeit geschaffen, im Dialog mit Expert*innen über Fragen nach Wissen, Wahrheit und Moral zu philosophieren.

Dennoch hoffen wir alle, dass die etwas provokant formulierte Überschrift in der Zukunft nur eingeschränkt zutreffen wird: So schön digitaler Austausch ist, ersetzen kann er das Gespräch von Angesicht zu Angesicht (und hoffentlich irgendwann wieder ohne Maske) natürlich nicht. Aber – um ganz unphilosophisch zu schließen – besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

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