3. April 2020

#Alltagshelden: Herzchirurg und Wertebotschafter Umeswaran Arunagirinathan erzählt aus seinem Alltag in Corona-Deutschland

…ob im HomeOffice, Büro oder Einsatzfahrzeug, hinter dem Verkaufstresen oder im Krankenhaus; die derzeitige Situation entwickelt sich für viele von uns zur emotionalen Achterbahnfahrt.
Um dabei nicht den halt zu verlieren, möchten wir euch kurz vor dem Wochenende nochmal eine ordentliche Portion Inspiration und Mut mitgeben.

Dafür hat Umeswaran euch einen kleinen Erfahrungsbericht aus seinem Alltag als Herzchirurg zusammengestellt. Soviel sei bereits jetzt verraten: Wir werden die Situation mit Geduld, Ruhe, Abstand und Vernunft gemeinsam meistern!

“Was mir in dieser Situation besonders bewusst wird, ist, wie viel Dankbarkeit und Wiedergutmachung ich für Deutschland empfinde. Es bedeutet mir unglaublich viel in der ausgebrochenen Krise als Mediziner im Gesundheitssystem mitwirken zu können und etwas zurück zu geben an das Land, was mich damals als Kind und Flüchtling aus Sri Lanka aufgenommen hat und mir damit mein heutiges Leben erst ermöglicht hat.

>>ES FÜHLT SICH GUT AN, IN ZEITEN DER KRISE, EINEN BEITRAG FÜR UNSERE GESELLSCHAFT LEISTEN ZU KÖNNEN. <<

Momentan arbeite ich in Bremen in der Herzchirurgie und aktuell operieren wir ausschließlich nur noch Notfälle. Alle planbaren Operationen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben, um Platz für COVID-19 Fälle freizuhalten.

Was für mich zudem momentan eine besondere Situation ist, ist dass ich nun auch über meine reguläre Position als Herzchirurg hinaus, auf der Intensivstation als Notarzt eingesetzt werden kann, wenn auf Grund der begrenzten personalen Kapazitäten, Bedarf bestehen sollte.

Mit jeden zusätzlichen COVID-19 Patienten in unseren Krankenhäusern oder Altersheimen steigt natürlich auch das Risiko für das medizinische Personal selbst infiziert zu werden.

Das ist auch der Grund dafür, dass Angehörige unsere Patienten momentan nicht mehr besuchen kommen dürfen. Eine Situation, die an sich gewiss für niemanden leicht ist, sich aber hier als besonders belastend darstellt, da soziale Kontakte einen wichtigen Beitrag zur Genesung eines Patienten leisten können.

Das ist einer der Gründe dafür, dass wir mittlerweile alle bei der Arbeit generell eine Schutzmaske tragen. Vorher war dies nur bei operativen Eingriffen oder wenn wir mit Risikopatienten in Kontakt waren der Fall. Auch wenn dieser Anblick anfangs vielleicht irritierend war, ist das Tragen einer Maske für mich mittlerweile selbstverständlich geworden. Es schützt einfach alle mich umgebenden Menschen vor einer Infektion, sollte ich mich, trotz noch strengerer Hygiene Maßnahmen, doch angesteckt haben. Meiner Meinung nach sollte die Maske allgemein in den neuen deutschen Alltag Einklang finden.

Vor allem diejenigen, die in systemrelevanten Bereichen arbeiten, achten natürlich in letzter Zeit auch in ihrer Freizeit nochmal verstärkt darauf, alle hygienischen und sozialen Maßnahmen einzuhalten. Die Verantwortung gegenüber unseren Mitbürgern ist gerade in Zeiten der Krise größer denn je und wir können mit unserer Einsatzbereitschaft nicht leichtfertig umgehen.

Besonders schwer ist es momentan vor allem für meine Kollegen in der Pflege, die unmittelbar am Patientenbett arbeiten. Sie nehmen das Krankheitsrisiko täglich mit nach Hause. Dort werden sie dann damit konfrontiert zum Beispiel Abstand zu ihren Kindern halten zu müssen, um sie nicht zu gefährden oder umgekehrt, nicht durch sie gefährdet zu werden. Diesen Umstand aushalten zu müssen, ist eine emotionale Doppel-Belastung, vor der ich großen Respekt habe.

Klar ist also, dass die aktuelle Situation bedingt durch das neuartigen Corona Virus für unser Land und Gesundheitssystem eine große Herausforderung darstellt.

>UMSO WICHTIGER FINDE ICH ES, DASS WIR IN DER DERZEITIGEN SITUATION ALS GESELLSCHAFT ZUSAMMENHALTEN. NEBEN EMPATHIE, SOLIDARITÄT UND SOZIALEM HANDELN FINDE ICH ES BESONDERS WICHTIG, DASS WIR VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN. JEDER VON UNS. <<

Was mich jedoch wirklich beruhigt, ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich bezogen auf COVID-19 weltweit betrachtet noch sehr gut dasteht.

Unsere Infrastruktur und unser manchmal vielleicht kostspieliges Gesundheitssystem machen das möglich. Wir haben in Deutschland beispielsweise im internationalen Vergleich die meisten Beatmungsbetten.

Es wäre grob fahrlässig, diesen Vorteil leichtfertig zu verspielen.

Deswegen sind wir hier alle gefragt, eine weitere Ausbreitung der Infektionen zu verhindern!
Selbst das beste Gesundheitssystem schützt uns nicht, wenn hier nicht alle ihren Beitrag leisten – Branchenunabhängig.
Mir graut es vor der Vorstellung, dass wir in Deutschland in eine Situation kommen, wie in Italien oder Spanien, in der das medizinische Personal über die Vergabe von Beatmungsgeräten und damit über Leben und Tod, entscheidet. Dies ist ethisch, emotional und generell einfach keine leichte Entscheidung. Ich hoffe deswegen, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen und damit verhindern, Menschen überhaupt in die Situation zu bringen, hier entscheiden zu müssen.

Bereits jetzt sind einige Medikamente gegen das Virus in der Pipeline und auch ein Impfstoff wird auf dem Markt kommen.

Ich bin absolut optimistisch, dass wir diese Krise gemeinsam besiegen werden. Diese Situation, so schrecklich sie auch sein mag, wird uns am Ende als Gesellschaft stärken und Empathie und eine stärkere Gemeinschaft hervorbringen!

Mit Geduld, Ruhe, Abstand und Vernunft werden wir das gemeinsam meistern, davon bin ich überzeugt!

3 Antworten zu “#Alltagshelden: Herzchirurg und Wertebotschafter Umeswaran Arunagirinathan erzählt aus seinem Alltag in Corona-Deutschland”

  1. Lieber Umes, die sprichst mir aus dem Herzen . Scheinbar ist Sri Lanka, Flüchtlingserfahrung, ärztliche Ethik, glauben an unsere offene, demokratische Gesellschaft und insbesondere die Überwindung des Egoismus ein Schlüssel zur Überwindung der aktuellen Krise. Schade, dass es ein kleiner Virus ist, der viele Menschen zum Nachdenken anregt, was ist wirklich wesentlich und wichtig .

  2. Rita Gawellek sagt:

    Hallo Dr. Umes, die Rhön vermisst sie.

  3. Martina Jordan sagt:

    Sehr geehrter Herr Arunagirinathan,

    ich habe gestern ihren Auftritt im NDR, “Das” gesehen und war und bin begeistert.
    Ich bin selbst Krankenschwester in der Geno.
    Die Frage stellt sich schon lange was an dem jetzigen System falsch ist und wie man das verändern kann.
    Seit den 80 ern 90 ern hat man industrielle,
    Marktwirtschaftliche Prinzipien auf das Krankenhaus aber auch in alle ärztliche Patienten Arbeit (Arztpraxen) übertragen.
    Dem wird alles unterworfen.
    Leitungen, Pflegdienstleitungen… sind kaufmännisch ausgerichtet, deswegen ist die Arbeit kaufmännisch begründet.

    Der Mensch geht dabei immer mehr verloren.
    Geht es im Moment wirklich um verbesserung oder um Gewinne.
    Ärzte Pflegekräfte,…. haben zu lange nichts gemacht
    Ich finde es ist Zeit etwas zu verändern!!
    Sollten sie Ideen haben, ich wäre bereit
    Mit freundlichen Grüßen:M.Jordan

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